Wenn Gott auf Gebete schweigt
Viele Christen erleben, dass Gott auf ihr Gebet nicht direkt antwortet. Wie kann das sein, wo die Bibel so viele Mut machende Aussagen zum Gebet trifft? Mache ich da was falsch?
Viele Christen haben schon die Erfahrung gemacht, dass YHWH allen Zusagen zum Trotz ein Gebet nicht erhört. Damit ist nicht irgendein Gebet gemeint, sondern eine konkrete Bitte. Ich bete beispielsweise um gutes Wetter – trotzdem regnet es in Strömen. Warum ist das so? Wieso geht die Sache mit dem Beten nicht eindeutiger und alltagstauglicher? Man betet – und Gott antwortet. Einfach, direkt und ohne Umschweife. Dass Gott Gebete prinzipiell nicht erhören will, daran kann es nicht liegen. Ansonsten würden die Zusagen bezüglich des Gebetes keinen Sinn machen. Außerdem ist Gottes Wesen durch Liebe gekennzeichnet. Er möchte antworten.
Daran, dass Gott Gebete nicht erhören könnte, kann es auch nicht liegen. Denn Gott wird in der Bibel als allmächtig geschildert. Deshalb kann er auf jeden Fall helfen.
Die Zusagen
Eine ganze Reihe von biblischen Aussagen machen Mut, mit großem Vertrauen zu beten, z.B. in Matthäus 18:19:
„Wahrlich, ich sage euch auch: Wenn zwei unter euch eins werden auf Erden, worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel.„
Man könnte einwenden, dass es Jesus vielleicht gar nicht so gemeint hat. Doch scheidet diese Lösung aus, wenn man einen Blick in die anderen Evangelien und den Rest der Bibel wirft: Ähnliche Aussagen, die das Gebet betreffen, finden sich an vielen Stellen, z.B. in Johannes 14:13-14, Johannes 15:7, Johannes 16:24, Markus 11:24 und 1. Johannes 3:22. Der Vers aus Matthäus 18 ist nicht besonders extrem, sondern in bester Gesellschaft mit ähnlichen Versen.
Unbeantwortetes Gebet in der Bibel
Wenn man aber die gesamte Bibel berücksichtigt, wird deutlich, dass sich niemand mit dem Thema unbeantwortetes Gebet alleine fühlen muss. Es ist z.B. anzunehmen, dass Joseph um Befreiung aus seiner Zisterne gebeten hat (1. Mose 37:23-36). Trotzdem wurde er versklavt. Davids Gebet um seinen Sohn war scheinbar vergeblich (2. Samuel 12:16-18). Und Paulus wurde nicht von seinem körperlichen Leiden geheilt, obwohl er mehrfach um Heilung gebeten hatte (2. Korinther 12:8).
Wenn ich heute also die Erfahrung mache, dass ein Gebet nicht erhört wird, befinde ich mich in guter Gesellschaft. Wie aber kann ich diese Tatsache mit den tollen Zusagen bezüglich des Gebetes in Einklang bringen?
Nachvollziehbare Gründe für unbeantwortetes Gebet
Wird ein Gebet nicht erhört, kann das bestimmte Gründe haben. Die Bibel nennt einige dieser Gründe und zeichnet ein Bild eines Gebetes, das Gott gefällt:
- Ich bete mit großem Vertrauen (Markus 11:24)
- Ich bete nicht egoistisch und gemäß dem Willen Gottes (1. Johannes 5:14)
- Ich habe meinen Mitmenschen bereitwillig aus dem Herzen vergeben (Matthäus 18:35)
- Ich handle so, wie YHWH es sich vorstellt und lasse mir von ihm immer wieder vergeben (Sprüche 15:29)
- Ich bringe meine Gebete demütig vor Gott und will mit dieser Demut nicht vor anderen Menschen angeben (Matthäus 6:5-6)
- Ich bete mit Ausdauer (Kolosser 4:2) und Geduld (Psalm 27:14)
- Ich bete mit anderen gemeinsam und erhalte dadurch auch die nötige Korrektur (Matthäus 18:19-20)
Werden diese Hinweise nicht berücksichtigt, kann es sein, dass Gott deshalb nicht antwortet.
Die Liste ist sicher nicht ganz vollständig. Die einzelnen Punkte aber sind leicht nachvollziehbar. Es wird klar, dass unerhörtes Gebet mit fehlerhaftem Verhalten meinerseits zusammenhängen kann. Wenn ein Gebet also nicht erhört wird, sollte ich meine Beweggründe unter die Lupe nehmen, mein Leben vor Gott in Ordnung bringen und nach seinem Willen fragen. Trotzdem beantwortet Gott nicht nur die Gebete von Menschen ohne Fehler! Die genannten Gründe sind ziemlich leicht auszumachen. Die gesamte Tiefe der Frage nach unbeantwortetem Gebet loten sie aber nur ungenügend aus. Fest steht, dass ein Gebet niemals aus egoistischer Natur entstehen sollte, sondern weil wir Gott lieben und seine feste Beziehung zu ihm pflegen. Außerdem sollten wir auch keinen Zweifel bekunden, oder in unserem Herzen denken, dass Gott unser Gebet nicht erhören kann, weil wir Sünder sind und so vieles falsch machen. Unser Herz und unsere sündige Neigung vermag uns viel schlechtes einzureden, doch YHWH ist liebevoll und gerecht, er kennt unsere Natur.
Nicht nachvollziehbare Gründe für unbeantwortetes Gebet
Es lässt sich nicht immer ein Grund für unbeantwortetes Gebet ausmachen. Und meist hilft es gar nichts, wenn ich andere Christen übereilt und lieblos darauf hinweise, ihr Leben doch in Ordnung zu bringen, damit in der Folge ihr Gebet erhört wird. Denn manchmal ist keine Sünde im Spiel, es wird ausdauernd gebetet usw. – und doch antwortet Gott nicht. Was ist dann los?
Hier gibt es mehrere Punkte, die man sich klar machen kann und die beim Verständnis helfen können:
- Manchmal denke ich, die beste Lösung zu kennen und bete dementsprechend. Doch Gott hat einen besseren Plan. Das liegt daran, dass er einen viel größeren Überblick über mein Leben und die Welt hat (Jesaja 55:9). Er ist immer noch der Schöpfer und ich sein Geschöpf – das ist die richtige Sichtweise. Daher kann eine Wendung in meinem Leben die beste Lösung sein, auch wenn ich das nicht so sehe. Ich kann Gott trotzdem vertrauen, dass er es gut mit mir meint. Deshalb kann ich auch darauf vertrauen, dass seine Art, mein Leben zu gestalten, das Beste für mich ist – selbst dann, wenn dies Leid beinhaltet. Das ist sicher oft nicht nachvollziehbar, genauso wie das Leid oft nicht zu begründen ist.
- Die Zeit, die ich für die richtige halte, ist manchmal nicht die Zeit, die YHWH für die richtige hält. Auch hier wird deutlich, dass Gott in seiner Allwissenheit einfach einen unendlich größeren Vorsprung an Wissen hat und dementsprechend die Dinge anders sieht. Das sind dann die Zeiten, in denen Gott nicht zu handeln scheint und er sich verborgen hält. David beklagt sich z.B. auch viele Male darüber, dass Gott scheinbar nichts tut, er nicht erlebbar ist (z.B. in Psalm 13:1; Psalm 10:1; Psalm 44:25). Diese Zeiten, in denen Gott sich zurückhält, sind also auch normal. Es ist einfach noch nicht seine Zeit. Daher kann es auch mal gut sein, Gott seine Zeit zu lassen. Gott hätte auch Jesus schon einige Zeit früher senden können. Und die Juden beteten lange Zeit für das Kommen des Messias. Dennoch kam Jesus erst, als die richtige Zeit dafür da war (Galater 4:4). In Offenbarung 6:10 schreien die Märtyrer zu YHWH, die Erde endlich zu richten. Doch Gott weist sie zurecht und sagt, sie sollen sich noch gedulden. Hannah hat jahrelang auf die Erhörung ihres Gebetes gewartet (1. Samuel 1:19-20). Und Simeon wartete sein Leben lang darauf, den erbetenen Messias sehen zu dürfen. Am Ende seines Lebens wird dieses Gebet erhört (Lukas 2:25-35). Es kann also kürzere oder längere Zeiten zwischen einem Gebet und dessen Erfüllung geben. Das verstehe ich nicht, weil ich nicht nachvollziehen kann, welche Faktoren das Timing Gottes Handelns bestimmen. Dass Gott es dennoch gut meint und zum wirklich richtigen Zeitpunkt handelt, macht die Bibel deutlich (z.B. Galater 4:4).
- Es kann auch sein, dass Gott meinen Glauben auf die Probe stellen möchte. Denn unbeantwortetes Gebet kann den Glauben schnell durcheinanderbringen. Ich überlege sofort, was ich wohl falsch gemacht habe. Oder ich bin schnell versucht, den Zusagen Gottes kein Vertrauen mehr zu schenken. Doch möchte Gott eigentlich mein Vertrauen stärken und mir nach solch einer Zeit der Prüfung umso mehr deutlich machen, dass auf ihn Verlass ist (Jakobus 1:2-4). Er kennt unsere Stärken ganz genau, und weiß, wozu wirklich wir im Stande sind, auch in unserer Unvollkommenheit. Wir wissen nicht was YHWH bereits alles in den Himmeln veranlasst hat, dass uns in Zukunft zur Hilfe kommt, zu der Zeit, wo wir es wirklich benötigen, weil wir aus eigener Kraft scheitern würden.
Was tun?
Bleibt die Frage, was ich konkret tun kann, wenn ich die Erfahrung mache, dass ein Gebet unbeantwortet bleibt.
Erst einmal sollte ich dranbleiben und die Flinte nicht allzu schnell ins Korn werfen. Die Zeiten der Prüfung und des Wartens erweisen sich im Nachhinein oft als wertvoll. Es gilt, die Frustration zu überwinden und das Vertrauen auf Gott nicht über Bord zu werfen. Das bedeutet, dass ich mehr denn je die Nähe zu ihm suche (Psalm 27:8) und meine Beziehung zu ihm pflege, die ja Grundlage meines Gebetes ist – auch wenn ich ihn nicht spüre. Das kann am ehesten durch Gebet und Lesen der Bibel geschehen. Hier kann ich jeden Tag neu Kraft zum Durchhalten bekommen. Hier kann ich meine Ausrichtung auf Gott und seinen heiligen Geist erneuern. Auch die Gemeinschaft mit anderen Christen, die wirklich mitfühlen und verstehen wollen, kann hilfreich sein. Manchmal geben gerade sie auch die notwendige Korrektur, wenn ich mich z.B. in eine bestimmte Vorstellung, wie Gott mein Gebet zu erhören hat, verrenne.
YHWH möchte, dass ich weiter auf ihn vertraue. Denn er hat weiterhin die Dinge in der Hand. Er sagt zu, dass alle Dinge zum Besten dienen werden (Römer 8:28), auch wenn ich das heute nicht verstehe. Vater verlässt mich nicht (Hebräer 13:5), sondern kümmert sich um seine Diener (1. Petrus 5:7). Ich sollte die Perspektive im Blick behalten, dass die Zeiten, in denen Gott nicht handelt oder redet, vorübergehend sind (1. Korinther 10:13). YHWH wird sich wieder zeigen! Jede Prüfung kann zu weiterer Reife, also einem erwachsenen und tragfähigen Glauben führen. Gottes Gnade wird danach nur umso mehr deutlich.
Außerdem kann ich Gott mein Leid klagen. David ist hierfür ein großes Vorbild (z.B. in Psalm 22). Er beschwert sich bei Gott, weil er nichts tut – um ihm dann doch das Vertrauen auszusprechen, indem er ihn auffordert etwas zu tun.
Ausblick
Die genannten Punkte können helfen, eine geistliche Durststrecke zu überwinden, so lange ein Gebet auf Antwort wartet. Es ist trotzdem hochinteressant, den letztlichen Ausgang der oben genannten Beispiele für unbeantwortetes Gebet in der Bibel aufzuzeigen. Denn auch wenn Joseph versklavt wurde, konnte er am Ende seines turbulenten Lebens sagen, dass der Herr es gut mit ihm meinte (1. Mose 50:20).
David bekam auch in seiner tragischen Situation neue Zuversicht (2. Samuel 12:20). Und Paulus erfuhr, dass die Gnade Gottes genügt (2. Korinther 12:9).
Es wird deutlich, dass auf Gott Verlass ist. Auch wenn nicht alles so läuft, wie ich es mir vorstelle oder erbeten habe. Ob jedes Gebet von Gott erhört wird, ist letztlich nicht immer der entscheidende Punkt, auch wenn ich das oft anders sehe. Gott wird in seiner Weisheit richtig handeln. Und er wird immer bei mir sein – auch wenn er auf ein Gebet nicht antwortet. Diesem Gott, der mich nie verlässt, kann ich weiterhin vertrauen.
Denken wir immer daran: Egal was passiert, seien wir immer dankbar, für jeden Augenblick, für jeden Moment, sowohl für die Guten als auch die Schlechten – beide helfen uns die Waage zu halten. Gute Dinge lassen uns erkennen, wie wundervoll das Leben ist, die Liebe Gottes, und was wir alles als Geschenk erhalten haben, jeder Moment ist kostbar! Aber auch die schlechten Zeiten, die unseren Glauben auf den Prüfstand stellen, sind kostbar. In dieser Zeit beweisen wir unsere Liebe zum Vater. So können wir allen Engeln, Dämonen, Menschen auch Gott und Satan stets beweisen, dass wir, egal in welcher Lebenslange wir uns befinden, die Wahrheit lieben. Dass wir Gott und seinen Sohn lieben, und alles andere auch, dass das Leben erst so kostbar und vielseitig ausmacht. Halten wir immer an unserem Glauben fest.
„Ihr aber, meine Lieben, erbaut euch auf euren allerheiligsten Glauben und betet im Heiligen Geist, und erhaltet euch in der Liebe Gottes und wartet auf die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus zum ewigen Leben. Und erbarmt euch derer, die zweifeln; andere reißt aus dem Feuer und rettet sie; anderer erbarmt euch in Furcht und hasst auch das Gewand, das befleckt ist vom Fleisch. Dem aber, der euch vor dem Straucheln behüten kann und euch untadelig stellen kann vor das Angesicht seiner Herrlichkeit mit Freuden, dem alleinigen Gott, unserm Heiland, sei durch Jesus Christus, unsern Herrn, Ehre und Majestät und Gewalt und Macht vor aller Zeit, jetzt und in alle Ewigkeit! Amen.“ (Judas 20-25)
Maranatha!
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