Rotkäppchen und der böse Wolf – WTG-Fassung
Es war einmal eine hübsche junge Pionierschwester, die wohlbehütet im theokratischen Elternhaus aufwuchs, mit 12 Jahren getauft wurde und die unmittelbar nach Abschluss der Hauptschule den Pionierdienst aufnahm. Zu ihrer Taufe hatte sie eine rotfarbige Baskenmütze erhalten die sie im Predigtdienst fast immer auf hatte.
Die Leute in ihrem Predigtdienstgebiet nannten sie daher Rotkäppchen. Ihre Mutter war sehr stolz auf sie und wurde von vielen in der Versammlung für ihre theokratisch vorbildliche Tochter gelobt. Dem Vater half es um so schneller zum Ältesten ernannt zu werden. Die Großmutter hingegen war gebrechlich und pflegebedürftig, wohnte zudem weit entfernt am Ende des Versammlungsgebietes hinter einem großen Wald. Nachdem sich schon die ganze Familie lange nicht mehr um sie kümmern konnte, da alle Familienmitglieder so sehr ihren theokratischen Pflichten nachkamen, dass für die arme Oma gar keine Zeit mehr übrig war, beschloss der Vater:
„Rotkäppchen, die Oma war am Sonntag schon wieder nicht in der Zusammenkunft, gehe doch mal während des Predigtdienstes bei ihr vorbei und bringe ihr die neuesten Zeitschriften, du kannst es ja als Predigtdienst berichten. Und bringe ihr auch ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein mit, schließlich unterstützt sie dich ja im Pionierdienst. Immerhin hat sie deinen neuen Wagen bezahlt.“
Rotkäppchen parkte ihr neues Auto, das die Oma bezahlt hat am Waldrand und dachte sich:
“Bei dem schönen Wetter kannst du ja auch eigentlich zu Fuß diesen Rückbesuch machen, bei der Gelegenheit pflücke ich ihr gleich noch einen kleinen Strauß Blumen. Sie wird sich sicher freuen.”
Und sie ging vergnügt mit dem Korb und dem Blumenstrauß in den Wald. So traf sie den „bösen Wolf”. Sie erkannte aber nicht dass der „Wolf“ ein „Abtrünniger“ war und „Böses“ im Schilde führte, denn sie hatte bisher noch nie einen „abtrünnigen Wolf“ gesehen. Ihre Eltern hatten ihr immer gesagt, dass man sich von „Abtrünnigen“ fernhält, ihre Literatur nicht einmal anfasst und auch ihre Websites nicht aufsucht. Daran hatte sie sich stets gehalten. Der „böse Abtrünnigen-Wolf“ fragte nun Rotkäppchen wohin sie denn so allein gehe. Im Wald könne sie doch gar niemand predigen. Rotkäppchen erklärte dem „bösen Wolf“ dass sie ihre Großmutter am anderen Ende des Waldes besuchen wolle um ihr die neueste geistige Speise zu bringen, damit sie nicht geistig schwach werde, immerhin besuche sie die Zusammenkünfte unregelmäßig.
Der „böse Wolf“ ging daher schnurstracks zur Wohnung der Großmutter, und da er wusste, dass die arme Oma nur noch deshalb ab und zu die Zusammenkünfte besuchte um ihre Familie nicht zu verlieren (sie berichtete auch regelmäßig 1/4 Std. Predigtdienst im Monat den sie dadurch verrichtete, indem sie die gesammelten alten Zeitschriften der Altpapiersammlung übergab mit dem Hinweis, dass die Zeitschriften noch gut erhalten sind und noch gelesen werden können), sie aber ansonsten sich hauptsächlich mit Kochrezepten, Fernsehen und heimlicherweise mit Horoskopen beschäftigte, so beschloss der „Wolf“, die Großmutter zu warnen.
Die Großmutter räumte schnell ihre weltlichen Zeitschriften und Bücher weg, legte schnell das aufgeschlagene Daniel-Buch auf den Tisch und machte sich bereit, aber der „böse Wolf“ meinte, es wäre nunmehr an der Zeit auch das Rotkäppchen über die 1914-Lüge, über 1975, über die UN-Verbindungen der Wachtturm-Gesellschaft, über nichterfüllte Prophezeiungen und über Kindesmissbrauch unter den Zeugen Jehovas aufzuklären. Immerhin biete sich jetzt eine gute Gelegenheit.
Die Großmutter war einverstanden und ließ sich vom „Wolf“ auffressen. Als das Rotkäppchen die Wohnung der Großmutter betrat (sie legte einen Ersatzschlüssel immer in den Blumenkasten), so lag der „Wolf“ auf dem Sofa der Großmutter und begrüßte sie.
Rotkäppchen aber war verstört und fragte:
“Großmutter, warum hast du denn so große Ohren?”
Der „Wolf“ antwortete:
“Damit ich die Lügen und Falschinterpretationen der Wachtturm-Gesellschaft besser heraushören kann.”
Rotkäppchen:
“Aber warum hast du denn so große Augen?”
Der „Wolf“:
“Damit ich die Tatsachen besser erkennen und sehen kann wie sehr sich Zeugen Jehovas im Widerspruch zur biblischen Botschaft befinden!”
Rotkäppchen:
“Aber warum hast du denn so ein großes Maul?”
Der „Wolf“:
“Damit ich die geistig-vergiftete Speise die ich selbst jahrelang gefressen habe wieder schneller rauswürgen kann!”
Damit hatte er Rotkäppchen überzeugt und zu ihrem Schutz „fraß er sie auf“. Der „Wolf“ war hoch erfreut über seine gelungene Aufklärungsarbeit, öffnete die Weinflasche die Rotkäppchen mitgebracht hatte, und trank gemeinsam mit Rotkäppchen und der Großmutter genüsslich ein Gläschen.
Der vorsitzführende Aufseher aber, beschloss bei der Großmutter einen Hirtenbesuch zu machen um sich zu erkundigen warum die ältere Schwester nicht zur sonntäglichen Zusammenkunft erschien. Auf die Begleitung eines zweiten Ältesten hatte er verzichtet, obwohl er wusste, dass man alleinstehende Schwestern immer in Begleitung aufsuchen sollte, aber angesichts des fortgeschrittenen Alters der Schwester erübrigte sich das seiner Meinung nach. Als der vorsitzführende Aufseher daher die Wohnung betrat, war er schlichtweg erstaunt die Großmutter bei bester Gesundheit zusammen mit Rotkäppchen und dem „Wolf“ Wein trinkend in fröhlicher Runde zu sehen.
Dann war er schockiert, dass die Großmutter und Rotkäppchen Gemeinschaft mit dem „abtrünnigen bösen Wolf“ pflegte. Er zog seine schärfste Waffe, das Handbuch für die Ältesten, und schaute nach, was er in einer solchen Situation tun soll. Er versuchte nun dem „Wolf“ den „Bauch aufzuschlitzen“, was dieser sich jedoch nicht gefallen ließ, sondern damit konterte, indem er den vorsitzführenden Aufseher fragte, wie viele der Blutbestandteile des “Wolfsblutes” ein Zeuge denn zu sich nehmen könne ohne ausgeschlossen zu werden. Er fragte ihn, warum tausende von pädophilen Zeugen Jehovas nicht angezeigt wurden, nachdem diese Kinder missbraucht hatten. Er fragte außerdem wieso Jehovas Zeugen eine 100% Ausfallquote in den Prophezeiungen über das Ende der Welt haben, und warum diese „Hurenorganisation“ ein Teil der UN gewesen sei – wie es sich vereinbaren ließe, dass Spendengelder in Aktien investiert werden, die nachweislich mit dem „wilden Tier“ aus der Offenbarung in Verbindung stehen.
Das war dann doch für den „Hirten“ zuviel. Er verließ die Wohnung der Großmutter zitternd und fluchtartig. Die Großmutter, der „Wolf“ und das Rotkäppchen aber amüsierten sich köstlich. Der vorsitzführende Aufseher aber, ließ die Großmutter und das Rotkäppchen vor ein Rechts-Komitee laden um festzustellen inwieweit beide Gemeinschaft mit „Abtrünnigen“ gepflegt hätten. Beide bestritten dies, und da für die Beweisführung einer Übertretung bekanntlich immer „zwei Zeugen“ notwendig sind, der vorsitzführende Aufseher aber zugeben musste, in Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften, die Großmutter allein aufgesucht zu haben, wurde die Sitzung ohne Anordnung von Maßnahmen beendet.
Der vorsitzführende Aufseher gelobte sich in Zukunft an die Richtlinien der Gesellschaft zu halten. Der vorsitzführende Aufseher erzählt noch heute von seinen Heldentaten, wie er zwei Schwestern aus dem Bauch des „bösen Wolfs“ befreit habe und sie zurück in dem Schoße der Organisation geführt hat. Er erhielt daraufhin das Vorrecht als stellvertretender Kreisaufseher zu dienen. Er steht auf der Bühne von Kongressen der Zeugen Jehovas, um von Menschen gesehen zu werden – dabei wächst jedoch immer weiter auch in ihm der Zweifel, und er ist sich stets bewusst, eines Tages die Wahrheit hinter „der Wahrheit“ verkündigen zu müssen, wenn auch er weiterhin in Gottes Gunst stehen will. Die Großmutter hat er seitdem nicht mehr besucht. Das Rotkäppchen aber wurde dennoch danach mit dem zeitweiligen Verlust ihrer Stellung als Pionier bestraft, bis sie, so wie die Ältesten meinten, wieder eine „vollwertige geistige Gesinnung“ hätte.
Sie nahm eine Vollzeitbeschäftigung auf, machte Karriere und zog in eine weit entfernte Welt. Falls sie nicht gestorben ist, lebt sie dort heute noch glücklich und zufrieden. Die Großmutter lebte den Rest ihrer Tage ohne weitere Belästigung durch Hirtenbesuche. Der „Wolf“ hingegen gründete eine Website, ist in „Apostaten-Foren“ im Internet aktiv, erarbeitet Aufklärungsarbeit in sozialen Netzwerken und informiert nun im großen Stil über die Zeugen Jehovas sowie die dahinterstehende, verlogene Wachtturm-Gesellschaft.